Blaue Stunde
Bei schönem Wetter gehe ich am Abend zwischen halb sechs und halb sieben spazieren. Eigentlich wird geraten, dies nicht zu tun, denn zu dieser Zeit fliegen die meisten Mücken. Aber dies ist einer jener Ratschläge, die völlig am Leben vorbei gehen. Auch Gott ging nach Genesis 3 bekanntlich zu dieser Stunde, „als der Tag kühl geworden war“, umher. Hier auf dem Campus ist um diese angenehm kühle Tageszeit ebenfalls alles auf den Beinen und ruft sich gegenseitig Apinun (von afternoon) zu. Ein banales Allerweltswort, aber gemeint ist damit von vielen ein freundliches „Grüß Gott“ im ursprünglichen Sinn von „es grüße/segne dich Gott“.
Anfangs scheint noch die Sonne und ein grandioses Abendrot erwartet mich auf dem Weg übers Gelände. Die Dämmerung ist kurz. Die kleinen jagenden Fledermäuse wecken Erinnerungen an Urlaube auf dem Bauernhof. Auch die Vögel sind noch einmal besonders aktiv. Sagen sie sich Gute Nacht und suchen sich ihren Schlafplatz? Auf dem Rückweg ist es dunkel und es leuchten bereits die Sterne. Bei Stromausfall, wie jetzt meist für einige Stunden in der Nacht, ist das Erlebnis der Milschstraße über mir unbeschreiblich. Kein elektrisches Licht hellt die Dunkelheit auf. Ich lege mich dann auf den warmen Zement meines Wassertanks vor dem Haus und schaue. Da ist nichts als „der bestirnte Himmel über mir“ („und das moralische Gesetz in mir“, von dem Kant im gleichen Atemzug sprach, spielt in solchen Momenten keine Rolle).
Trotz der Welt, die es hier anzuschauen und zu bestaunen gibt, hat sich mir PNG bisher hauptsächlich über die Nase und die Ohren eingeprägt. Die Kinder nutzen das letze Licht und lärmen noch einmal über die Wiese. Daheim wartet der Topf über dem Feuer. Süßkartoffeln, Bananen, Reis mit Blattgemüse… zusammen mit dem Rauch vom Feuer ist das der Geruch von gutpela sindaun und sich daheim und vollauf zufrieden fühlen. Der Weg geht an einem Mangobaum vorbei. Die Früchte sind reif und duften… eigentlich nicht wie der Geschmack der Mangos. Eher wie nasser Grasschnitt, über den ein wenig Petroleum, wie es hier für Lampen verwendet wird, gegossen wurde. So muss eine gute Sorte riechen. Mit Einbruch der Dunkelheit übernehmen die Zikaden und Frösche das Sagen. Sie sind LAUT, aber sie stören nicht. Zusammen mit den Gerüchen, der Dunkelheit und dem Sternenhimmel gehören sie zum Erlebnis Nacht in PNG.
An unserem kleinen Dorfladen, der nicht mehr ist als eine Theke mit Regal dahinter, kehre ich um. Nicht ohne ein Packung 2-Minuten-Nudeln gekauft zu haben. Das wird mein Abendessen.