Was tue ich hier?
Ein paar Fakten zu meinem neuen Wohnort: Papua Neuguinea findet sich nördlich von Australien, 6º südlich des Äquators im Pazifik. Der Norden war von 1885 bis 1916 eine deutsche Kolonie. Seit 1975 ist das Land selbständig (von Australien). PNG hat ungefähr 7 Mio Einwohner (vor 20 Jahren waren es noch 3 Mio) und ist extrem reich an Bodenschätzen. In den Minen wird Kupfer, Gold, Silber, Gas und Öl gefördert. Fliegt man über das zerklüftete, gebirgige Land, scheint alles mit Urwald bedeckt. Aber das Tropenholz ist begehrt. Es wird in großem Stil abgeholzt und einige Baumarten und Tiere sind, wie sollte es anders sein, in ihrem Bestand gefährdet.
Was tue ich hier? Bis Juli unterrichte ich am „National Evangelist Training Centre“ der Lutherischen Kirche in Amron bei Madang. Danach geht es als Dozent an das Senior-Flier-Seminary zur Pfarrerausbildung. Etwa ein Viertel der Bevölkerung von PNG gehört der Lutherischen Kirche (ELC-PNG) an. Sie ist vollständig unter einheimischer Leitung und in ihrer bis in die hintersten Winkel und Dörfer weit verzweigten Organisation vollständig inkulturiert. Im Rahmen der Partnerschaft mit der Bayerischen Landeskirche sind an Seminaren, Krankenhäusern, im landwirtschaftlichen Bereich und in Büros einige wenige Überseemitarbeiter beschäftigt. Auch Weltwärtsfreiwillige sind inzwischen gern gesehene Mitarbeiter. (Aufgrund der etwas heiklen Sicherheitslage leider in Zukunft nur noch Jungen.) Umgekehrt sind zur Zeit auch zwei neuguineische Pfarrfamilien in Bayern. Die ELC-PNG hat ein großes Hauptquartier in Lae mit vielen Abteilungen für die landesweite Arbeit: Verkündigung, Jugend, Frauen, Gesundheit, Landwirtschaft, Bildung etc. Auf vier weiteren Ebenen wiederholen sich die Strukturen: Distrikt, Circuit, Pfarrei und Gemeinde. Eine Gemeinde hat etwa 400 Mitglieder und wird von einem Ältesten oder einem Evangelisten geleitet. Von der Pfarrei (etwa fünf Gemeinden) aufwärts sind Pfarrer eingesetzt. In den verschiedenen Arbeitsfeldern arbeiten hunderte von engagierten Ehrenamtlichen und Angestellten z.B. als Sundayschool-Lehrer, Frauenarbeit-Koordinatorinnen, Jugendleiter, Ärzte, Krankenschwestern, Lehrer etc. Alle Entscheidungen fallen im Rahmen ausgiebiger Besprechungen, Treffen, Tagungen, Konferenzen, Synoden. Demokratie wird in PNG so verstanden: Es wird so lange geredet, bis eine Lösung gefunden ist, bei der alle „wanbel“ – einmütig sind. Das kann dauern, sitzt und passt dann aber auch. Für solche Prozesse darf man sich „PNG-Time“ nehmen. Nennt man eine Uhrzeit, bei der sich alle nach der Uhr richten sollen, dann muss man mehrfach betonen, nun handle es sich um „German-Time“.
Die lutherische Kirche hat in Kolonialzeiten die Herzen der Menschen erreicht, indem sie Schulen und ein Gesundheitswesen errichtete. Das Erscheinungsbild und den Ruf der ELC-PNG prägt das bis heute. Viele Schulen und einige große Krankenhäuser werden von den Lutheranern betrieben. In jedem Gottesdienst ist das Bewusstsein und die Freude darüber, weltweit zur großen Familie Jesu Christi zu gehören, spürbar. Das Gesangbuch vereinigt Lieder aus allen Erdteilen und aus vielen unterschiedlichen Musiktraditionen. In PNG gibt es etwa 830 lebendige Sprachen. Traditionell wurde der Akzent auf Abgrenzung zum Nachbarstamm gelegt. Fragt man einen Neuguineer, was der christliche Glaube „bringt“, so erhält man meist eine Antwort in Richtung: Bel isi – Frieden, Freundschaft, Überwindung von Feindschaft und Abgrenzung. Das spüre ich täglich an der Gastfreundschaft und am Respekt, den man mir entgegenbringt.
Und so sieht ein typischer Arbeitstag für mich aus: Von 6 Uhr bis 7 Uhr alles, wofür eine Internetverbindung nötig ist (Emails, Skype, Blog, Recherche). Zu dieser Zeit ist das Mobilfunknetz noch nicht überlastet. Von 7.30 Uhr bis 12.15 Uhr Unterricht, unterbrochen durch eine Morgenandacht und eine Lehrerbesprechung. In Amron unterrichte ich die angehenden Gemeindeleiter/Evangelisten in den Fächern Einleitung zum NT, Genesis, Lukas, Konfessionskunde und zum Thema „Heiliger Geist“. Geist, Geister, Mächte und Gewalten sind, bedingt durch das Erbe des Animismus, von hohem Interesse. Nachmittags ist in meinem Haus und drumherum ein Kommen und Gehen. Studenten brauchen z.B. Unterstützung bei der Erstellung einer Exegese, wollen mir im Garten helfen, haben Lust, eine Frage mit mir zu besprechen. Manchmal machen wir einen längeren Spazierweg. Immer ist Gelegenheit für Gespräche. Der Abend gehört dem Bibliotheksdienst oder der Vorbereitung von Unterricht und Arbeitsblättern. Da es kaum theologische Literatur in Tok Pisin gibt, bekommen die Studenten in jeder Stunde ein Skript als Lernunterlage. Das hilft auch mir, meine Sprachkenntnisse zu verbessern.